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Zur Geschichte des Begriffs 'organisierte Kriminalität'1 Die Bemühungen um eine einheitliche OK-Definition (PDF) Klaus von Lampe (Auszug aus einem Beitrag in dem Buch Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität, herausgegeben von Meropi Tzanetakis und Heino Stöver, 2019) Die Schwierigkeiten, zu einem einheitlichen Verständnis über das Wesen 'organisierter Kriminalität' zu gelangen, (…) erschließen sich, wenn man einen Blick auf die Begriffsgeschichte wirft, also darauf, wie sich der Begriff 'organisierte Kriminalität' im Sprachgebrauch durchgesetzt hat und mit welchem Bedeutungsgehalt. Dabei beschränkt sich die Betrachtung hier auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, wobei anzumerken ist, dass diese in Westeuropa durchaus eine gewisse Vorreiterrolle gespielt hat. Die bundesrepublikanische Diskussion um organisierte Kriminalität hat sich zunächst "weitgehend im polizeilichen Rahmen" abgespielt (Busch 1991, S. 6) und ist insbesondere an den beiden Zeitschriften "Die Polizei" (einschließlich der Beilage "Kriminalpolizeiliche Tagespraxis") und "Kriminalistik" ablesbar, die seit den Anfängen der Bundesrepublik die wohl (24) wichtigsten Foren für den polizeifachlichen Diskurs bereitstellten. Neben einer systematischen Auswertung dieser Zeitschriften beruht die nachfolgende Erörterung auf weiteren offenen Quellen sowie auf polizeiinternen Materialien und der Befragung von Zeitzeugen. An diese begriffsgeschichtliche Betrachtung schließt sich eine kurze Erörterung der Frage, was sich substanziell hinter dem Begriff 'organisierte Kriminalität' verbirgt. Die bundesdeutsche Diskussion darüber ob, in welcher Form und in welchem Ausmaß hierzulande organisierte Kriminalität existiert, hatte ihre Anfänge in den 1960er Jahren. Dabei kamen mehrere Diskursstränge zusammen, die inhaltlich nicht in einer besonders engen Beziehung zueinander standen und unter anderen Umständen wohl auch nicht in einen begrifflich einheitlichen Sachzusammenhang gerückt worden wären. Dazu gehörten verschiedene wahrgenommene Veränderungen in der Kriminalitätslage in der Bundesrepublik, befürchtete zukünftige Veränderungen der Kriminalitätslage als Folge der Arbeitsmigration aus Südeuropa, unter anderem aus Italien, und Auseinandersetzungen, die sich um die Reformierung der Polizei rankten, also mit der Kriminalitätswirklichkeit nur indirekt etwas zu tun hatten. Der entscheidende Anstoß allerdings, in der Bundesrepublik über 'organisierte Kriminalität' zu sprechen, kam aus den USA. Mafia-Ängste: Die amerikanische Diskussion um 'organized crime' als Impulsgeber In den Vereinigten Staaten hatte die Diskussion um 'organized crime' - gleichgesetzt mit der italo-amerikanischen Mafia - in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Die USA sahen sich von einer kriminellen Geheimorganisation mit rund 5.000 Mitgliedern italienischer Abstammung unterwandert, deren Einfluss sich von der Unterwelt bis in einzelne Sektoren der legalen Wirtschaft und in die Politik erstreckte (von Lampe 1999). In der Bundesrepublik und insbesondere auch innerhalb der bundesdeutschen Polizei blieben diese Entwicklungen nicht unbeachtet (vgl. z.B. Hoeveler 1965; Wenzky 1967) und es wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit das, was sich unter der Rubrik 'organized crime' jenseits des Atlantiks offenbarte, für die eigene Sicherheitslage von Bedeutung sein könnte. (25) Zwar war man sich weitgehend darin einig, dass die Situation in Deutschland mit der in Amerika nicht vergleichbar sei. Jedoch bestand mehr oder weniger deutlich ausgesprochen die Sorge, dass sich die zukünftige Kriminalitätslage nach amerikanischem Vorbild entwickeln könnte (Beuys 1967; Mätzler 1968; Niggemeyer 1967; Rupprecht 1972). So wurden nicht zuletzt Parallelen zwischen den USA und Deutschland als Zielländer süditalienischer Einwanderer gezogen, kamen doch viele der seit Mitte der 1950er Jahre angeworbenen Gastarbeiter aus den traditionellen mafiosen Hochburgen Sizilien, Kampanien und Kalabrien. Insbesondere ein Fußfassen der sizilianischen Mafia wurde befürchtet. In einem 1966 erschienenen Sammelband zur internationalen Verbrechensbekämpfung schrieb ein wohl dem Bundeskriminalamt (BKA) zugehöriger Kriminalbeamter unter dem Titel "Die Mafia", es sei nicht zu "übersehen, daß mit den sizilianischen Arbeitern auch mafiosische Denkungsart über den Brenner gekommen ist" (Steinke 1966, S. 145), Es drohe schon bald "ein Straftatenboom", beginnend mit von der Mafia errichteten "Kraftfahrzeugsperren" gefolgt von "Überfälle(n) auf Gutshöfe", "Erpressungen von Geschäftsleuten", "Kidnappingfalle(n)" und "Maßnahmen zur Einschüchterung der Bevölkerung" (Steinke 1966, S. 149). Dieser Beitrag dürfte nicht in der Drastik der artikulierten Befürchtungen, wohl aber in der Tendenz repräsentativ für entsprechende Vorstellungen in Polizei kreisen während der zweiten Hälfte der 1960er Jahre sein (vgl. Beuys 1967, S. 68; zudem Kerner 1973, S. 223). Wahrgenommene Veränderungen der Kriminalitätslage in der Bundesrepublik Abgesehen von der Thematik einer möglichen oder gar schon beginnenden mafiosen Unterwanderung Deutschlands gab es in der polizeilichen Diskussion Bemühungen, sich ein Stück weit vom sprichwörtlichen Vorbild USA zu lösen und zu einem originär deutschen bzw. westeuropäischen Verständnis von 'organisierter Kriminalität' (OK) zu gelangen (Kollmar 1974). Erfasst werden sollten nach dieser Sichtweise vor allem diejenigen Entwicklungen der Kriminalität, die die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Herausforderungen stellten (Boettcher 1975, S. 186; Gemmer 1975, S. 14). Diese Entwicklungen waren zunächst ohne Verwendung des Begriffs 'organisierte Kriminalität' oder ähnlicher Begriffe ('organisiertes Verbrechen', 'organisiertes Verbrechertum') diskutiert worden. Neben quantitativen Veränderungen, steigenden Fallzahlen insbesondere im Bereich der Diebstahlskriminalität bei gleichzeitig sinkenden Aufklärungsquoten, ging es vor allem um verschiedene qualitative Veränderun-(26)gen. Diese waren zunächst an einer steigenden Mobilität von Straftätern festgemacht worden. Zwar gehörte der "reisende Rechtsbrecher" (bzw. der "überörtliche" und "internationale Täter") als besondere Erscheinungsform des "Berufs- und Gewohnheitsverbrechers" schon lange zu dem von der Polizei gezeichneten Bild der Kriminalitätslage (vgl. Palitzsch 1952) und um ein in der Polizeilichen Kriminalstatistik geführtes Merkmal (Kerner 1973, S. 153). Jedoch schien der "reisende Rechtsbrecher" im Zuge des allgemeinen gesellschaftlichen Wandels, etwa dem steigenden Reiseverkehr und dem Pendeln zwischen Wohnort und Arbeitsstätte mit eigenem Kraftfahrzeug, eine neue Qualität erreicht zu haben (Heitmann 1962, S. 3). In besonderem Maße wurden seitens der Polizei von außen in die Bundesrepublik wirkende Einflüsse registriert (vgl. Ochs 1964, S. 292). Die zunehmende Arbeitsimmigration wurde als wesentlicher Faktor für das Ansteigen der Kriminalität gewertet, insbesondere der Drogenkriminalität (Schenk 1968, S.299), und in verschiedenen Deliktsbereichen schienen ausländische bzw. international agierende Täter eine bedeutende Rolle zu spielen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Hehlerei (vgl. Bux 1966,5.216), der Zuhälterei (vgl. Mätzler 1968, S. 405; Wehner 1966, S. 343; Westphal 1969, S. 476) und der Kfz-Schieberei (Lissy 1970, S. 342). Neben einer zunehmenden Tätermobilität wurde dem technischen Fortschritt ein entscheidender Einfluss auf die Qualität des Täterverhaltens beigemessen. Die "technische Entwicklung" habe "neue Tätertypen mit neuen Arbeitsmethoden geschaffen" (Lach 1967, S. 343). "Im Wandel der Zeiten", so konstatierte der leitende BKA-Beamte Dr. Bernhard Niggemeyer, "haben die Rechtsbrecher ihre Arbeitsweisen und ihre Methoden der Verbrechensbegehung den Fortschritten von Wissenschaft, Technik und Verkehr immer mehr angepaßt" (Niggemeyer 1967, S. 166). Verknüpft mit der Ausnutzung moderner Technik und Infrastruktur wurde den Kriminellen neuer Prägung ein erhöhtes Maß an Intelligenz und Fertigkeiten zugeschrieben. Im Laufe der Jahre habe sich "eine gefährliche kriminelle Spezies entwickelt, die ihre Straftaten immer ausgeklügelterer Form begeht. Es sind kluge und einfallsreiche Diebe, Betrüger, Einbrecher und Fälscher, die über ein gehöriges Maß an organisatorischem, kaufmännischem und handwerklichen Talent verfügen" (Lissy 1970, S. 340). Aus derartigen Einschätzungen mag man Achtung vor Spitzenkönnern seitens der Polizei herauslesen (vgl. Kerner 1973, S. 108), aber möglicherweise auch ein Gefühl der Unterlegenheit in einer Phase der Polizeigeschichte, die parallel zur gesellschaftlichen Bildungsreform-Debatte - von einer intensiven Diskussion um die Notwendigkeit einer umfassenden Hebung des Ausbildungsniveaus der Polizei geprägt war (vgl. Busch et al. 1985, S.147). (27) Letzte wesentliche Komponente des im Verlaufe der 1960er und frühen 1970er Jahre neu entstehenden Kriminalitätsbildes ist der wahrgenommene "Trend zur kriminellen Teamarbeit" (Niggemeyer 1967, S. 166). In den Zeitschriften "Die Polizei" und "Kriminalistik" finden sich entsprechende Aussagen ab Mitte der 1960er Jahre. So wurde für die Nachkriegszeit eine "Entwicklung in Richtung auf die international und bandenmäßig organisierten Verbrecher" konstatiert (Ochs 1964, S. 292). Die "verbrecherische oder verbrechensfördernde Gruppe" sei "kriminologisches Kennzeichen unserer Zeit" (Walther 1967, S. 39). Erklärend verwies Niggemeyer auf das Erfordernis funktionierender "Erwerbs- und Absatzorganisationen", in der verschiedene Spezialisten etwa im Bereich des Kfz-Diebstahls zusammenwirkten (Niggemeyer 1967, S. 166). Darin zeige sich "der allgemeine Trend zur Kommerzialisierung des Verbrechens": das Verbrechen werde "immer technischer, organisierter und intelligenter" (Niggemeyer 1967, S. 168). Neben dem herkömmlichen Typ des reisenden Täters habe sich "die hektisch, unberechenbar aber systematisch, perfektionistisch und äußerst wirkungsvoll auf überörtlicher Ebene arbeitenden Banden und Kollektive gebildet, die leicht die Vorläufer syndikatsähnlicher Verbrecherorganisationen werden können" (Lach 1967, S. 343). Ein Trend zu Täterzusammenschlüssen wurde vor allem bei Rauschgiftdelikten, bei Eigentumsdelikten wie Einbruchsdiebstahl, Kfz-Verschiebung und Raub und bei der Zuhälterei festgestellt (vgl. Bauer 1970; Bauer 1971; Becker 1972; Matthes 1969; Niggemeyer 1967; Schaefer 1973; Schenk 1968). Dabei ist auch hier auffällig, dass die Beschreibungen weitgehend ohne die Verwendung des OK-Begriffs auskamen. Von den bislang zitierten Autoren benutzte nur Niggemeyer den Begriff 'organisiertes Verbrechen'; allerdings bezogen auf die USA bzw. als eher hypothetisches Phänomen in der Bundesrepublik (Niggemeyer 1967, S. 168, 170). In einem weiteren Beitrag über "in der Bundesrepublik arbeitende ausländische Verbrecherorganisationen", konkret "eine Gruppe bandenmäßig organisierter französisch sprechender Zuhälter in der Bundesrepublik", der 1968 in der "Kriminalistik" erschien, wurde hingegen betont, man habe hierzulande "'noch' kein organisiertes Verbrechertum in des Worts strenger Bedeutung" (Mätzler 1968, S. 405). Organisierte Kriminalität als ein in der Bundesrepublik gegenwärtiges Phänomen Soweit ersichtlich vollzog sich erst Anfang der 1970er Jahre ein Wandel dergestalt, dass organisierte Kriminalität nicht mehr nur als ein das Aus-(28)land betreffendes und die Bundesrepublik allenfalls in Zukunft tangierendes Problem angesprochen wurde. Vielmehr begann man nun damit, wenn zunächst auch nur vereinzelt und zaghaft und vorrangig in polizeiinternen Diskussionen, den Begriff 'organisierte Kriminalität' auf ganz konkrete, real existierende Facetten der bundesrepublikanischen Kriminalitätswirklichkeit anzuwenden, und zwar solche Kriminalitätserscheinungen, die bereits seit den 1960er Jahren wahrgenommen worden waren, ohne aber zunächst mit dem Etikett 'organisierte Kriminalität' versehen worden zu sein. Hingegen sah man sich in der Bundesrepublik nach wie vor nicht mit denjenigen Kriminalitätserscheinungen konfrontiert, die der amerikanischen Lesart folgend, bis dahin mit 'organisierter Kriminalität' bzw. 'organsiertem Verbrechen' in Verbindung gebracht worden waren. Insbesondere hatten sich die in den 1960er Jahren geäußerten Befürchtungen einer mafiosen Unterwanderung der Bundesrepublik nicht in empirische Gewissheiten verwandelt. So konstatierte Kerner in seiner 1973 vorgelegten, auf Interviews mit Polizeipraktikern beruhenden Untersuchung "Professionelles und organisiertes Verbrechen", weder stellten italienische Gastarbeiter ein besonderes Kriminalitätsproblem dar, noch hätten sich Mafiaorganisationen nach Deutschland ausgeweitet. Wohl aber sei Deutschland Operationsgebiet italienischer Berufskrimineller, die "sich nahtlos ein(fügen) in eine allgemein-europäische sehr einheitliche Entwicklung zu strukturierten Formen geschäftsmäßiger Bereicherungskriminalität, zu der Täter aus allen Nationen ihr Teil beitragen" (Kerner 1973, S. 224; vgl. auch Rebscher/Vahlenkamp 1988, S. 140). Vor diesem Hintergrund musste der Wandel im Sprachgebrauch hin zur Verwendung des Begriffs 'organisierte Kriminalität' auf die konkreten Verhältnisse in der Bundesrepublik zwangsläufig einhergehen mit einer Ausweitung bzw. Verschiebung des Bedeutungsgehalts in Loslösung vom und in Abgrenzung zum US-amerikanischen Begriffsverständnis. Gleichzeitig fehlte es in der Bundesrepublik an klaren Orientierungspunkten wie der amerikanischen Mafia, die sinnbildend für das sich in der Bundesrepublik entwickelnde Verständnis von organisierter Kriminalität hätten wirken können. So sahen sich diejenigen, die den Begriff 'organisierte Kriminalität' im Kontext der Bundesrepublik verwendeten, in doppelter Erklärungsnot. Sie mussten klarstellen, dass damit keineswegs die Behauptung verbunden sei, in der Bundesrepublik herrschten 'amerikanische Verhältnisse', taten sich jedoch schwer zu erklären, was denn nun genau unter 'organisierter Kriminalität' bundesrepublikanischer Prägung zu verstehen sei. Der notwendige aber letztlich nie vollendete Klärungsprozess begann in der ersten Hälfte der 1970er Jahre und verlief zunächst weitgehend hinter verschlossenen Türen, in einer Reihe von Seminaren der Polizei-Führungsaka-(29)demie (PFA) in Hiltrup,2 im Rahmen der AG Kripo, also dem Gremium der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts, und bei einer Arbeitstagung des Bundeskriminalamts. Bezeichnenderweise beruhen die meisten der frühen Beiträge zur Diskussion um organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik in den Zeitschriften "Die Polizei" und "Kriminalistik" auf eben diesen internen Beratungen (vgl. z.B. Heinhold 1974; Kollmar 1974; Schäfer 1974; Stümper 1974). Die Initiative ging dabei, soweit ersichtlich, nicht etwa vom Bundeskriminalamt oder gar von der Politik aus, sondern von einem kleinen Kreis leitender Kriminalbeamter auf Länderebene um den Berliner Kripo-Chef Otto Boettcher. Unter dessen Leitung fand im Februar 1973 an der PFA ein eintägiges Seminar mit dem Titel "Organisierte Kriminalität - Phänomen und Bekämpfung" statt. Kurz darauf, im Mai 1973, beschloss die AG Kripo, sich des Themas organisierte Kriminalität anzunehmen3 und setzte schließlich im Dezember 1973 unter der Leitung Boettchers eine Fachkommission ein mit der Aufgabe, "eine Definition des Begriffes 'Organisierte Kriminalität' zu erarbeiten, Methoden und Organisationsformen wirksamer Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu beschreiben und ein Konzept für die Kommunikation und den Informationsaustausch in diesem Bereich zu entwickeln".4 Die Fachkommission tagte insgesamt sechsmal und wurde dann durch einen im Dezember 1975 von der AG Kripo gefassten Beschluss aufgelöst, ohne dass es zu einem konsensfähigen Ergebnis, insbesondere einer allgemein akzeptierten Definition des Begriffs ,organisierte Kriminalität gekommen wäre.5 In dem Scheitern der Fachkommission zeigte sich zum einen die Schwierigkeit, den aus den USA entlehnten Begriff auf die bundesrepublikanischen Verhältnisse zu übertragen. Zum anderen wurde deutlich, dass es nicht allein um die Kriminalitätswirklichkeit und ihre begriffliche Erfassung ging, sondern auch um handfeste politische Interessen. In seiner ursprünglichen Besetzung - neben Berlin waren Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das BKA vertreten - hatte sich die Fachkommission zunächst die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit des OK-Begriffs gestellt und verschiedene Alternativen in Erwägung gezogen (z.B. "Unternehmenskriminalität" oder "Verflechtungskriminalität"),6 (30) da "die Wortkombination ,Organisierte Kriminalität' begrifflich nicht präzise genug" erschien.7 Diese Überlegungen wurden jedoch rasch verworfen. Zum einen war man, nicht ganz nachvollziehbar, der Auffassung, der Begriff sei bereits zu sehr "als gängige Vokabel in den Sprachgebrauch" eingeflossen und daher praktisch nicht mehr zu eliminieren.8 Zum anderen wollte man, was das Hauptmotiv gewesen sein dürfte, an dem Begriff seiner "Plastizität wegen" festhalten.9 In der Diskussion um eine Definition organisierter Kriminalität zeigte sich sodann, dass die Beteiligten mit unterschiedlichen Vorannahmen an die Aufgabe herangingen, gleichzeitig aber auch die Vorstellungen darüber, was organisierte Kriminalität ist, oft nur recht vage ausgeprägt und wenig gefestigt waren. Überzeugt zeigte man sich letztlich nur davon, dass organisierte Kriminalität oberhalb der "üblichen Bandenkriminalität" zu verorten sei.10 So ist nicht verwunderlich, dass die einigende Klammer des Begriffs ‚organisierte Kriminalität' nicht phänomenologisch, sondern pragmatisch hergeleitet wurde. Es sollten "Aktivitäten von Tätergruppen im Blickfeld stehen, an denen die bisher praktizierten Bekämpfungsmethoden zu scheitern drohen", und die "Abgrenzung des Begriffs", so vermerkt das Protokoll der 3. Sitzung der Fachkommission, sei "maßgeblich davon bestimmt, daß mit 'Organisierter Kriminalität' jene Erscheinungsformen gemeint sind, die erfolgreich nur mit neuen Konzeptionen und besonderen Methoden bekämpft werden können.11 So erklärt sich auch, dass terroristische Gruppierungen wie die sogenannte Baader-Meinhof-Bande in den Beratungen der Fachkommission ohne weiteres der organisierten Kriminalität zugerechnet wurden.12 (31) Nach längerem Hin und Her einigte sich die Fachkommission auf die folgende Definition:
Dass diese Definition nicht von der AG Kripo abgesegnet wurde und es somit nicht zu einer bundeseinheitlichen Sprachregelung kam, lag in erster Linie am Veto des Bayerischen Landeskriminalamts (BayLKA). Dieses wandte sich vehement gegen das Ansinnen, den Begriff 'organisierte Kriminalität' vom amerikanischen Begriff 'organized crime' zu lösen und auf die Verhältnisse in Deutschland zu übertragen. Dies, so die bayerische Argumentation, helfe nicht bei der Bewältigung neuer Herausforderungen der Kriminalitätsentwicklung und gebe nur zu "Panikmache" Anlass.14 Allerdings gab es wohl noch andere, tiefer liegende Gründe für die Weigerungshaltung Bayerns. Wie sich aus dem Protokoll der 6. und damit letzten Sitzung der Fachkommission herauslesen lässt, an der auch ein Vertreter des Bayerischen LKA teilnahm, ging es letztlich zumindest auch um "partikularistische Interessen",15 und zwar um die Verhinderung einer Kompetenzausweitung des Bundeskriminalamtes zu Lasten der Landeskriminalämter. Erst 1973 war das Gesetz über das Bundeskriminalamt (BKAG) dahingehend geändert worden, dem BKA eine originäre Ermittlungszuständigkeit für verschiedene "international organisierte" Straftaten zuzugestehen (§ 5 Abs. 2, Nr. 1 BKAG i.d.F. v. 29.6.1973). Bei einer Anerkennung der Existenz organisierter Kriminalität in der Bundesrepublik, worauf die von der Fachkommission erarbeitete Definition hinauslief befürchtete das Bayerische LKA vermutlich einen weiteren Machtzuwachs des BKA. Angesichts der bestehenden unüberbrückbaren Gegensätze vertagte die AG Kripo das Thema 'organisierte Kriminalität' auf unbestimmte Zeit. Allerdings wurden die Landeskriminalämter angehalten, orientiert an einer ebenfalls von der Fachkommission erarbeiteten Indikatorenliste (s. Steinke 1982, S. 80), Erkenntnisse über Ansätze organisierter Kriminalität zusam-(32)mein und an das BKA zur Erstellung eines jährlichen Lagebildes zu übermitteln. Hierbei zeigte sich, wie uneinheitlich das Verständnis in den einzelnen Bundesländern ausgeprägt war, denn fünf Flächenländer (Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) meldeten dem BKA, über keine einschlägigen Erkenntnisse zu verfügen.16 Bemerkenswert ist auch, dass in den Jahren, die auf das Scheitern der Fachkommission folgten - es ist die Zeit des "deutschen Herbstes" und des Terrorismus der Roten Armee Fraktion -, organisierte Kriminalität als ein die Bundesrepublik betreffendes Phänomen in den Zeitschriften "Die Polizei" und "Kriminalistik" allenfalls noch am Rande angesprochen wurde (vgl. Stümper 1980). Die Politisierung des Themas in den 1980er Jahren Fast kann man rückblickend den Eindruck gewinnen, der OK-Begriff sei in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu einem Unwort geworden. Dies änderte sich grundlegend in den Jahren 1981 und 1982. Wie es schien war 'organisierte Kriminalität' wieder in aller Munde. Die Polizei-Führungsakademie begann im Oktober 1981 mit einer mehrteiligen Seminarreihe "Organisierte Kriminalität"17 und einen Monat später befassten sich auf der jährlichen Arbeitstagung des BKA gleich mehrere Redner eingehend mit dem Thema, darunter Bundesinnenminister Baum in seiner Eröffnungsansprache (Baum 1982) und der kurz zuvor neu ins Amt berufene Präsident des Bundeskriminalamts Heinrich Boge (Boge 1982). Auch in den Zeitschriften "Die Polizei" und "Kriminalistik" erschienen nun gehäuft einschlägige Beiträge, und dabei nicht nur nachgedruckte Referate von der BKA-Arbeitstagung (z.B. Steinke 1982; Stümper 1983). Grundtenor war die Feststellung, organisierte Kriminalität sei in der Bundesrepublik eine Realität, wenn es auch an systematischen Erkenntnissen und einer allgemein akzeptierten Definition des Begriffs fehlen möge. Daran schlossen sich Forderungen nach neuen Instrumentarien für die Strafverfolgung, etwa im Bereich verdeckter Ermittlungen. Wie tiefgreifend der Stimmungswandel war, der sich in den Jahren 1981 und 1982 vollzog, lässt sich wohl am besten an dem Umstand ermessen, dass von einer Arbeitsgruppe der Polizei praktisch aus dem Nichts heraus (33) und ohne größere Kontroversen eine neue Definition organisierter Kriminalität ausgearbeitet wurde. Bei der Arbeitsgruppe handelte es sich um einen 1981 vom Arbeitskreis II (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) der Innenministerkonferenz eingesetzten sogenannten ad hoc-Ausschuss, der sich mit "Neue Methoden der Verbrechensbekämpfung" befassen sollte. Den Vorsitz führte der baden-württembergische Landespolizeidirektor Dr. Alfred Stümper, einer der Protagonisten der polizeiinternen OK-Diskussion seit Anfang der 1970er Jahre. Auf der zweiten Sitzung des Ausschusses im Mai 1982 verabschiedeten die 15 Ausschussmitglieder ein Papier, dessen Einleitung eine Definition enthielt, der zufolge organisierte Kriminalität "nicht nur eine mafiaähnliche Parallelgesellschaft i.S. des organized crime" sein sollte, sondern auch "ein arbeitsteiliges, bewußtes und gewolltes, auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zur Begehung strafbarer Handlungen (... ) mit dem Ziel, möglichst schnell hohe finanzielle Gewinne zu erreichen.18 Der ad hoc-Ausschuss hatte, anders als die Fachkommission der AG Kripo, keinen Auftrag zur Ausarbeitung einer Definition. Deshalb kam der von ihr gefundenen Begriffsbestimmung auch nicht der Status einer offiziellen Sprachregelung zu. Gleichwohl ist bemerkenswert, dass die drei Vertreter Bayerns, die dem Ausschuss angehörten, keine Vorbehalte anmeldeten, obwohl die neu erarbeitete Definition wesentlich weiter gefasst war als die der Fachkommission. So wurde namentlich auf das Merkmal hierarchischer Täterstrukturen ("mehr als zweistufig gegliederte Verbindungen") verzichtet, was den Anwendungsbereich deutlich in Richtung herkömmlicher Bandenkriminalität ausdehnte. Bemerkenswert ist dies auch deshalb, weil sich die Haltung des Bayerischen Landeskriminalamts zur Sinnhaftigkeit des OK-Begriffs nicht geändert hatte. In einem internen Positionspapier aus dem Sommer 1982 wurde nochmals die Position bekräftigt, die Bayern schon gegenüber der Fachkommission vertreten hatte. 'Organisierte Kriminalität' sei ein "international anerkannter und feststehender Begriff, der das amerikanische 'organized crime' zum Inhalt" habe. Es sei "unzulässig, diesem Begriff willkürlich einen anderen Inhalt zuzuschieben".19 Warum schwenkte Bayern gleichwohl auf die allgemeine Linie ein, und warum kam es überhaupt in den Jahren 1981 und 1982 dazu, dass 'organisierte Kriminalität' sich vom Unwort zu einem zentralen Schlagwort der (34) polizeilichen und kriminalpolitischen Diskussion wandelte? Eine Erklärung verweist auf die Fernsehsendung "Die Bedrohung", die im Februar 1981 zur besten Sendezeit (20:15 Uhr) und mit Rekordeinschaltquote im ersten Fernsehprogramm gezeigt wurde. Erst nach dieser Sendung, so etwa Alfred Stümper, sei "das Thema auch politisch auf dem Tisch" gewesen.20 In der Sendung kontrastierten die Journalisten Dagobert Lindlau und Hans Lechleitner ihre "Recherchen über das organisierte Verbrechen" in Deutschland mit Äußerungen u.a. seitens der Bayerischen Polizei, in Deutschland gebe es keine organisierte Kriminalität, womit die Haltung des Bayerischen LKA letztlich der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Allerdings zeigte sich Dagobert Lindlau nachträglich davon überzeugt, dass weniger der Inhalt der Sendung als die Einschaltquote ausschlaggebend gewesen sei, denn sie habe gezeigt, "dass sich hinter dem Thema Wahlkampfmunition verbarg".21 Tatsächlich kam es im Verlauf der 1980er Jahre zu einer zunehmenden Politisierung des Themas, was dadurch befördert wurde, dass in Umsetzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts von 1983 die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft umfassend neu geregelt werden musste und sich damit auch die Gelegenheit ergab, das Instrumentarium der Strafverfolgungsbehörden zu erweitern. Diese Bemühungen mündeten u.a. im Gesetz gegen Organisierte Kriminalität (OrgKG) von 1992 (Kinzig 2004). Während so 'organisierte Kriminalität' in den Mittelpunkt der kriminalpolitischen Debatte rückte, blieb der Bedeutungsgehalt des Begriffs weiterhin unklar. Dies wurde nicht nur von bürgerrechtlich gesinnten Kritikern und Kritikerinnen der kriminalpolitischen Entwicklung bemängelt, sondern traf auch auf die polizeiinterne Situation zu. Insbesondere vermochte sich die 1982 vom ad hoc-Ausschuss vorgelegte Definition nicht als einheitliche Sprachregelung durchzusetzen. Aus einem internen Vermerk des BKA geht hervor, dass zwar mittlerweile alle Beteiligten grundsätzlich gewillt waren, 'organisierte Kriminalität' begrifflich festzulegen, die gefundene Formulierung aber weiterhin einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Auffassungen darstellte. Augenscheinlich hatte das BKA versucht, eine präzisere Definition durchzusetzen, was jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass "durch die bisherige Definition zwar das Phänomen OK aufgezeigt, jedoch nicht abschließend begrifflich bestimmt werden soll, damit polizeiliche Möglichkeiten bei ähnlichen Kriminalitätsformen nicht beeinträchtigt werden". Abschließend heißt es in dem Ver-(35)merk, die "vorliegende 'Begriffsbestimmung' überzeugt nicht vollständig, sollte jedoch hingenommen werden, um das Gesamtanliegen nicht zu gefährden".22 Die offizielle Sprachregelung seit 1990 Bis zu einer offiziellen, allgemein verbindlichen Sprachregelung sollten noch einmal mehrere Jahre vergehen, wobei die Initiative nicht mehr von der Polizei ausging, sondern von der politischen Ebene, die mittlerweile das Thema für sich entdeckt hatte. Im Jahre 1989 sprachen sich die Konferenz der Justizminister und die Konferenz der Innenminister dafür aus, die Problematik der Verfolgung organisierter Kriminalität gemeinsam zu erörtern. Zu diesem Zweck wurde eine Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei gebildet.23 Die Beratungen dieser Arbeitsgruppe führten unter anderem zur Formulierung einer neuen Definition organisierter Kriminalität, die kurz darauf als Teil der Anlage E Eingang in die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) fand und im Unterschied zu den vorangegangenen Definitionen damit auch einen gewissen Grad an rechtlicher Verbindlichkeit, zumindest verwaltungsintern, erlangte. Die Erarbeitung der Definition erfolgte durch eine von fünf Unterarbeitsgruppen unter Beteiligung des BKA, des LKA Hamburg sowie des Bundesjustizministeriums und der Landesjustizverwaltungen Hamburg und Hessen. Ausgangspunkt war die Annahme, dass die Erscheinungsformen organisierter Kriminalität außerordentlich komplex und vielschichtig und daher schwierig mit einer einheitlichen Begriffsbildung vollständig und abschließend zu erfassen seien. Gleichwohl richteten sich die Bemühungen erklärtermaßen darauf, eine Definition zu finden, die möglichst umfassend und möglichst genau ist, um den Ansprüchen an eine Legaldefinition zu genügen.24 Die neue Definition ist, soweit ersichtlich, in kürzester Zeit, ohne größere Auseinandersetzungen und wohl auf recht kuriosem Weg zustande gekommen. Wie es in der entsprechenden Anlage des Zwischenberichts der Gemeinsamen Arbeitsgruppe heißt, wurde bei der Erstellung der Definition auf Definitionen in ausländischen Abkommen und Gesetzen (z.B. Schweiz, USA, Italien) zurückgegriffen sowie Merkmale berücksichtigt, die (36) sich in der kriminalistischen Praxis als wesenstypisch für organisierte Kriminalität herausgebildet hätten.25 Konkret wurden diese verschiedenen Versatzstücke offensichtlich aus den jeweiligen Quellen kopiert, ausgeschnitten und wie in einem Puzzle zu einer zusammenhängenden Definition zusammengefügt. So entstand ein erster Rohentwurf, der als zentrales Element eine "Vereinigung oder Gruppe von Personen" enthielt26 und sich damit für eine von zwei Möglichkeiten entschied, die eingangs von der Unterarbeitsgruppe in Betracht gezogen worden waren: entweder auf "Organisationen/Beziehungsgeflechte" abzustellen, oder auf die "kriminellen Taten".27 Mit einem zweiten Entwurf der mit der Endfassung schon beinahe identisch war, optierte man dann für die "Begehung von Straftaten" als Wesenskern organisierter Kriminalität.28 Die Definition hatte in ihrer Endfassung den folgenden, viel zitierten Wortlaut:
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, b) unter Verwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.29 An dieser Begriffsbestimmung ist zunächst auffällig, dass, wie bereits in der Definition des ad hoc-Ausschusses, nur geringe Anforderungen an das Vorliegen einer Täterstruktur gestellt werden. Es genügt ein mehr oder weniger geordnetes Zusammenwirken von mindestens drei Personen, soweit mindestens eine der drei Alternativen (a-c) erfüllt ist. Hier fällt auf, dass das Moment der Einflussnahme auf das öffentliche Leben, das bereits von (37) der Definition der Fachkommission von 1974 erfasst worden war, wieder Berücksichtigung findet. Hingegen tauchen die Verwendung gewerblicher und geschäftsähnlicher Strukturen sowie Einschüchterung und Gewalt erstmals als Abgrenzungskriterien auf. Eine wichtige Ausdehnung des Bezugsrahmens ergibt sich daraus, dass im Unterschied zu den beiden Vorgängerversionen die Definition von 1990 nicht nur profitorientierte Taten und Täter einbezieht, sondern auch solche, die durch "Machtstreben" motiviert sind. Demgegenüber folgt eine wesentliche Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs aus dem Zusatz, der bereits in den Materialien der Gemeinsamen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei enthalten ist, dass die Definition das Phänomen des Terrorismus nicht erfassen soll.30 Diese thematische Trennung von Terrorismus und organisierter Kriminalität lässt sich bereits seit Anfang der 1980er Jahre im Polizeifachschrifttum beobachten und spiegelt wohl den für beide Bereiche getrennten Aufbau von Spezialdienststellen wider (vgl. Pütter 1998). Ein weiterer Punkt, der die Definition der Arbeitsgruppe Polizei/Justiz charakterisiert, ist die gewählte Struktur einer Kette von alternativen Kriterien, markiert durch das Wort "oder", woraus sich eine Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen ergibt, die als organisierte Kriminalität qualifiziert werden. Zu Recht spricht Busch daher von einer "Nicht-Definition" (Busch 1992, S. 382), die, so im Oktober 1993 der damalige Präsident des Bundeskriminalamts, Hans-Ludwig Zachert, bei einer Anhörung im Bundestag, "selbst Eingeweihten nur in glücklichen Stunden verständlich" sei.31 Nach Jahren, in denen die Definition als verbindliche Sprachregelung mehr oder weniger hingenommen worden ist, sind erst kürzlich Stimmen laut geworden, die Definition zu überarbeiten, darunter seitens der Leiterin der OK-Abteilung beim BKA, Sabine Vogt, auf der Herbsttagung des BKA 2014 (zit. in Bulanova-Hristova et al. 2015, S. 4; s. auch Neubacher et al. 2017, S. 116-117). So ist es mit der Definition der Arbeitsgruppe Justiz/Polizei allenfalls vordergründig gelungen, eine Klärung des Begriffs ‚organisierte Kriminalität' herbeizuführen. Abgesehen von ihrer Bedeutung für Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Strafverfolgungsbehörden und für die Erstellung der jährlichen Lageberichte Organisierte Kriminalität (Pütter 1998), ist die wohl wichtigste Funktion dieser Definition, ähnlich wie die der Definition (38) von 1982, festzuschreiben, dass die Existenz organisierter Kriminalität in Deutschland außer Frage steht, während die Frage nach dem Bedeutungsgehalt des Begriffs weiterhin offen ist. Literatur Bauer, G. (1970). Auto-Diebstähle und ihre Bekämpfung. In: Kriminalpolizeiliche Tagespraxis, 3, S. 129-132. Bauer, G. (1971). Erscheinungsformen und Bekämpfung überörtlicher und internationaler Räuber. In: Kriminalpolizeiliche Tagespraxis, 5, S. 161-164. Baum, G.R. (1982). Eröffnungsansprache. 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Quelle: Klaus von Lampe (2019). Geschichte und Bedeutung des Begriffs 'organisierte Kriminalität', in: Meropi Tzanetakis, Heino Stöver (Hrsg.), Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität: Herausforderungen für Politik, Justiz und Drogenhilfe, Baden-Baden: Nomos, 2019, S. 23-49 |