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Klaus von Lampe Zusammenfassung des Inhalts In einer begriffsgeschichtlichen und theoretischen Untersuchung wird die Entwicklung des Begriffs "organized crime" im kriminal- und gesellschaftspolitischen Kontext der USA nachgezeichnet und seine theoretischen und empirischen Implikationen erhellt.
Datengrundlage für die begriffsgeschichtliche
Untersuchung ist die Auswertung des New York Times-Index
der Jahre 1896 bis 1995 und des Journal of Criminal Law and
Criminology der Jahre 1910 bis 1995 unter ergänzender
Heranziehung weiterer journalistischer und amtlicher Quellen sowie
der vorhandenen Sekundärliteratur. Die Auseinandersetzung
mit den theoretischen und empirischen Implikationen des "organized
crime"-Begriffs findet auf der Grundlage einer systematischen
Auswertung der einschlägigen wissenschaftlichen, journalistischen
und amtlichen Publikationen statt, wobei im Rahmen der verfügbaren
Kapazitäten eine möglichst weitgehende Erfassung angestrebt
wurde. Der Begriff "organized crime" tauchte erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in New York auf, konnte sich dort im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch zunächst nicht durchsetzen. Seine erste eigentliche Prägung erhielt der Begriff im Jahre 1919 durch die Chicago Crime Commission, eine im gleichen Jahr ins Leben gerufene Bürgervereinigung. In den Verlautbarungen der Chicago Crime Commission wurde mit "organized crime" zunächst ein gesellschaftlicher Zustand umschrieben, in dem Berufskriminelle aufgrund behördlicher Ineffizienz und Korruption sowie Dank mangelnder Akzeptanz der Gesetze in der Bevölkerung unbehelligt geschäftsmäßig und im kollektiven Zusammenwirken Straftaten begehen können. Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre verengte sich das Vorstellungsbild auf bestimmte Delikte, das Angebot illegaler Güter und Dienstleistungen, bestimmte Täterstrukturen, hierarchisch organisierte Banden und Syndikate, und bestimmte Täterpersönlichkeiten, in Chicago und landesweit namentlich Al Capone. Die Wahrnehmung der Einbettung von "organized crime" in die sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen der Städte reduzierte sich auf die Thematisierung der korrupten Beziehungen von Kriminellen zu einzelnen bestechlichen Amtsträgern. Die Wandlung des Begriffsverständnisses ging einher mit einer weitgehenden Verdrängung des "organized crime"-Begriffs durch den engeren Begriff "racketeering" in den 30er und 40er Jahren. Eine Wiederbelebung erfuhr der "organized crime"-Begriff auf nationaler Ebene im Jahre 1950 mit dem Kefauver Committee, einem Senatsauschuss zur Untersuchung des illegalen Glücksspiels in den USA. Das Kefauver Committee verschaffte Vorstellungen allgemeine Bekanntheit, wonach in den Vereinigten Staaten landesweite Zusammenschlüsse von Kriminellen unter maßgeblicher Beteiligung italo-amerikanischer Verbrecher existieren, die einer Geheimorganisation, der Mafia, angehören. "Organized crime" erschien dabei nicht mehr als ein Produkt der Städte, sondern als eine von aussen kommende Bedrohung. Dieses Bild verfestigte sich Ende der 50er und vor allem in den 60er Jahren, bis 1967 eine Präsidialkommission "organized crime" mit der Mafia, nunmehr "La Cosa Nostra" genannt, gleichsetzte.
Die Fixierung auf die "Cosa Nostra" relativierte
sich im Laufe der 70er Jahre, insbesondere bedingt durch Stimmen
aus solchen Regionen, in denen italo-amerikanische Täter
keinen wesentlichen Einfluß auf die Kriminalität zu
haben schienen. Anfang der 80er Jahre rückten dann neben
der "Cosa Nostra" andere nach ethnischen Kriterien definierte
Gruppen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, denen "Cosa
Nostra"-ähnliche Strukturen nachgesagt wurden und das
Etikett "non traditional organized crime groups" erhielten.
In der ersten Hälfte der 90er Jahre schließlich zeichnete
sich ein Trend ab, "organized crime" stärker als
transnationales und internationales Problem wahrzunehmen und nicht
mehr als ein primär die USA betreffendes Phänomen.
Die Wandlungen und Umbrüche im Bedeutungsgehalt
des "organized crime"-Begriffs stehen in einem gewissen
Zusammenhang mit dem Austausch der wesentlichen Akteure der begriffsgeschichtlichen
Entwicklung. Bis Ende der 40er Jahre hatten Bürgervereinigungen
wie die Chicago Crime Commission wesentlichen Einfluß auf
die Begriffsprägung, während beginnend mit dem Kefauver
Committee die wesentlichen Impulse von der law enforcement
community ausgingen, anfänglich vor allem vom Federal
Bureau of Narcotics, später vom FBI und führenden Beamten
der New Yorker Polizei. Politiker wie die Senatoren Kefauver und
McClellan und der Justizminister Robert Kennedy machten sich deren
Konzepte zu eigen und sorgten für eine breite Öffentlichkeit.
Vor diesem Hintergrund lässt sich die Verengung des
"organized crime"-Begriffs auf ethnisch definierte kriminelle
Gruppen bzw. Organisationen als das Produkt massenmedialer und
bürokratischer Mechanismen erklären, die, statt differenzierter
Lagebilder und Analysen, in einem Prozess gegenseitiger Verstärkung
einfache, vereinheitlichte Konzepte mit hohem Wiedererkennungswert
hervorbrachten.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit "organized
crime" begann in den 20er Jahren mit Frederic Thrashers "The
Gang" und John Landescos "Organized Crime in Chicago".
Eine "organized crime"-Forschung als eigenständige
Disziplin hat sich jedoch erst seit Ende der 60er Jahre entwickelt,
vor allem in Auseinandersetzung mit dem offiziellen "organized
crime"-Bild, wie es 1967 von Donald Cressey in sozialwissenschaftliche
Kategorien übersetzt worden war. Nach wie vor existiert keine
umfassende, empirisch abgesicherte "organized crime"-Theorie,
vielmehr stehen sich mehrere eher fragmentarische Erklärungsansätze
mit unterschiedlichster empirischer Fundierung gegenüber,
die primär im Abstraktionsgrad und in ihrem zentralen Bezugsobjekt
variieren. So werden entweder bestimmte Handlungen, bestimmte
Täter bzw. Tätermerkmale, bestimmte strukturelle Arrangements
zwischen Tätern oder zwischen Tätergruppen oder auch
die Verflechtung legaler und illegaler Strukturen in den Mittelpunkt
der Betrachtung gestellt. Einen hohen Stellenwert nimmt die Frage nach dem Organisationsgrad krimineller Beziehungsgeflechte ein, die auf die öffentliche Kontroverse zurückgeht, ob die "Cosa Nostra" als landesweite formelle Organisation tatsächlich existiert. Am Beispiel der "Cosa Nostra" lässt sich aufzeigen, daß die Existenz komplexer krimineller Organisationen eher unwahrscheinlich ist. Die "Cosa Nostra" ist im strengen Sinne keine einheitliche Organisation, sondern stellt eine lockere Verbindung einzelner "Familien" dar, die wiederum nur begrenzte Funktionen für ihre Mitglieder erfüllen. Die "Cosa Nostra" bzw. ihre Untergliederungen sind entgegen gängigen Vorstellungsmustern keine illegalen Wirtschaftsunternehmen, vielmehr werden die legalen und illegalen wirtschaftlichen Aktivitäten ihrer Mitglieder lediglich dadurch unterstützt, dass die Zugehörigkeit zur "Cosa Nostra" eine besondere Vertrauensbasis schafft, den Austausch geschäftsrelevanter Informationen erleichert und Mechanismen für eine gewaltlose Schlichtung von Konflikten bereitgestellt werden. Dementsprechend ist die Struktur der "Cosa Nostra"-Familien zwar vertikal, nicht jedoch horizontal differenziert. Die Einbindung der Mitglieder in Hierarchien beschränkt sich dabei auf den Handlungsrahmen, der durch die Funktionen der "Cosa Nostra" vorgegeben ist. Eine totale Kontrolle und Unterwerfung findet nicht statt.
Die Differenzierung zwischen übergeordneter
Organisation und den wirtschaftlichen Aktivitäten der einzelnen
Organisationsmitglieder erscheint auch bei anderen kriminellen
Beziehungsgeflechten geboten, wobei selbst informelle Gruppen
in gewissem Grade die Funktion von Geheimgesellschaften, Unternehmervereinigungen
und Standesorganisationen übernehmen können.
Unternehmerische Zusammenschlüsse Krimineller
tendieren, ebenso wie soziale Verbindungen, zu einfachen Strukturen.
Das Erfordernis gegenseitigen Vertrauens der Beteiligten in Abwesenheit
gerichtlichen Rechtsschutzes und angesichts drohender Strafverfolgung
setzt der Ausdifferenzierung und Ausdehnung illegaler Unternehmen
enge Grenzen. Gleichzeitig sind aufwendige Technologien und komplexe
Unternehmensstrukturen in illegalen Märkten nicht in gleichem
Maße überlebensnotwendig wie unter legalen Wettbewerbsbedingungen.
Angesichts der nur relativen Bedeutung krimineller
Organisationen im Kontext von "organized crime" kommt
daneben der Analyse von Netzwerken kriminell nutzbarer Kontakte
eine eigenständige Bedeutung zu. Dichte Geflechte gegenseitiger
Kontakte, die der Begehung von Straftaten, der Verwertung daraus
erzielter Erträge und der Absicherung vor Strafverfolgung
dienen, können aus der Distanz den Eindruck komplexer, konglomeratartiger
Organisationen erwecken, die in großem Maßstab illegale
Geschäfte betreiben und die Strafverfolgungsbehörden
korrumpieren. Aus der Nähe betrachtet scheint es jedoch zutreffender
zu sein, einerseits von sozialen Netzwerken und Geheimorganisationen,
andererseits aber von einzelnen Patron-Klientel-Verhältnissen,
Geschäftspartnerschaften und kleineren Unternehmen zu sprechen.
Kriminelle Gruppen, Unternehmen und Netzwerke können in übergeordnete Strukturzusammenhänge eingebunden sein. Innerhalb illegaler Märkte ist die Entstehung von Kartellen und Monopolunternehmen denkbar und in einem weiteren, deliktsübergreifenden Rahmen die Herausbildung eines illegalen Gewaltmonopols. Dieses kann der gewaltfreien Konfliktschlichtung dienen, aber ebenso auch der systematischen Erpressung illegaler Unternehmer. Treibende Kraft bei der Konzentration illegaler Strukturen dürfte weniger das Streben nach Monopolprofiten sein als vielmehr die Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen. Zu den Faktoren, die zu einer Konzentration illegaler Strukturen beitragen können, gehören economies of scale bei der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen sowie beim Einsatz von Kapital, zudem als illegalitätsspezifische Faktoren economies of scale bei der Bereithaltung von Gewaltpotentialen und bei der Neutralisierung der Strafverfolgung durch Korruption. Gegenläufige Faktoren, wie die Unüberschaubarkeit illegaler Märkte und das mit komplexen Organisationsstrukturen verbundene erhöhte Strafverfolgungsrisiko, lassen jedoch erwarten, daß sich Konzentrationsprozesse nur in engen räumlichen und zeitlichen Grenzen entfalten können. Die "Cosa Nostra" verdankt ihre Machtstellung günstigen historischen Rahmenbedingungen, die heute nicht mehr gegeben sind. Die Unvollkommenheit ihres Einflusses zeigt sich beispielsweise darin, daß sie offensichtlich nicht in der Lage ist, in von ihr kontrollierten illegalen Märkten Monopolpreise durchzusetzen.
Realistisch erscheint es, im Normalfall statt von
einer zentralen Machtinstanz von einer Vielzahl kleinerer Gruppen
auszugehen, die jeweils in eng begrenzten Territorien ein Gewaltmonopol
etabliert haben, dieses zur Erpressung der in ihrem Einflussbereich
agierenden illegalen Unternehmer einsetzen und ihre friedliche
Koexistenz untereinander durch Territorialabsprachen absichern.
Die unter den "organized crime"-Begriff subsumierten Täter, Täterstrukturen und Handlungen existieren nicht losgelöst von der amerikanischen Gesellschaft. Es gibt keine klare Konfliktlinie zwischen "organisierten Kriminellen" und der übrigen Gesellschaft, obwohl auf Diebstahls-, Raub-, Erpressungs- und Betrugsdelikte offenbar ein größerer Anteil der von "organisierten Kriminellen" begangenen Straftaten entfällt als dies üblicherweise angenommen wird. Die dauerhafte Begehung von Straftaten wird dadurch begünstigt, dass die Einhaltung von Gesetzen in den USA kulturell nicht notwendig höher bewertet wird als die Erzielung persönlichen Erfolgs und die Einstellung zu den Strafgesetzen ambivalent ist, insbesondere in Bezug auf die Illegalität bestimmter Waren und Dienstleistungen. Sowohl Anbieter wie Abnehmer illegaler Waren und Dienstleistungen gehören zu Netzwerken kriminell nutzbarer Kontakte.
Anbieter und Abnehmer illegaler Güter und Dienstleistungen
sind nicht auf bestimmte soziale Schichten oder ethnische Gruppen
beschränkt, wenngleich ethnisch geprägte Ghettos in
besonderer Weise ein Nährboden für "organized crime"
zu sein scheinen. Das Fehlen legaler Aufstiegswege macht in solchen
Gebieten kriminelle Karrieren attraktiv, gleichzeitig erlaubt
das den etablierten gesellschaftlichen Institutionen gegenüber
tendenziell ablehnende Klima eine größere Sichtbarkeit
illegaler Aktivitäten und eine stärkere Zurschaustellung
illegal erworbenen Wohlstands. Dies wiederum führt dazu,
dass Kriminelle in eine Vorbildfunktion für Jugendliche
geraten und ihre Wertvorstellungen an nachwachsende Generationen
weitergeben können. Die Rahmenbedingungen für derartige
Subkulturen haben sich jedoch in dem Maße verschlechtert,
in dem die Integration von legalen und illegalen Strukturen, verkörpert
durch auf Patronage basierende Parteiorganisationen, nachgelassen
hat. Das Verhältnis von "organized crime" und legaler Wirtschaft ist durch drei Grundkonstellationen gekennzeichnet, den Einfluß auf einzelne Unternehmen, auf Gewerkschaften (labor racketeering) und auf Unternehmervereinigungen (business racketeering). Legale Unternehmen können für "organisierte Kriminelle" in unterschiedlicher Weise von Nutzen sein, zur Profitsteigerung, zur Diversifizierung ihrer Aktivitäten, zur Ermöglichung der legalen Übertragung von Vermögen, zur Legitimierung von Einkommen gegenüber den Steuerbehörden, zur Geldwäsche, zur Bereitstellung legaler Arbeitsplätze für kriminelle Akteure, zur Tarnung und Unterstützung illegaler Aktivitäten und zur Erlangung gesellschaftlicher Respektabilität. Die Einflussnahme "organisierter Krimineller" auf legale Unternehmen ist nicht notwendig mit der Anwendung unlauterer Methoden verbunden, sie kann jedoch auch zum Nachteil der Unternehmen selbst sowie von Konkurrenten und Kunden eingesetzt werden, z.B. in Fällen von Stoß- und Versicherungsbetrügereien. Aufgrund der größeren Anzeigenbereitschaft der hierdurch Betroffenen sind die Handlungsmöglichkeiten "organisierter Krimineller" beschränkt. Die Aktivitäten "organisierter Krimineller" im Kontext legaler Unternehmen sind weniger ein spezifisches "organized crime"-Problem, sondern eher von der Beteiligung klischeehafter Gangster unabhängige Erscheinungsformen von Wirtschaftskriminalität. Es erscheint sinnvoll, "organized crime" und "white collar crime" nicht als gleichwertige, sich gegenseitig ausschließende Kategorien zu begreifen. Stattdessen sollte Wirtschaftskriminalität auf mögliche Ausprägungen von "organized crime" untersucht werden. Neben der von aussen kommenden Einflussnahme krimineller Gruppen auf legale Unternehmen sind ebenso unternehmens- und brancheninterne Netzwerke kriminell nutzbarer Kontakte denkbar, die auf langjährigen Geschäftskontakten basieren und in eine kriminogene Geschäftskultur eingebettet sind. Labor racketeering bedeutet, dass kriminelle Akteure Machtpositionen innerhalb einer Gewerkschaft erlangt haben und diese Position zur Veruntreuung von Gewerkschaftsvermögen oder zur Erpressung von Unternehmen einsetzen. Labor racketeering ist auf bestimmte Branchen beschränkt, in denen eine Vielzahl kleiner Unternehmen, die weitgehend identische, zeitempfindliche Güter und Dienste anbieten, weitgehend gleiche, arbeitsintensive Technologien einsetzen und deren Belegschaften vorwiegend aus wenig qualifizierten Beschäftigten bestehen, wie beispielsweise im Speditionsgewerbe. Labor racketeering erlangt insbesondere im Zusammenspiel mit business racketeering Bedeutung.
Business racketeering
steht für die Zusammenfassung der Anbieter einer Branche
in einer von Kriminellen kontrollierten, kartellartigen Unternehmervereinigung.
Die betroffenen Unternehmen profitieren von der Regulierung ihres
Marktes, während die Kriminellen über Mitgliedsbeiträge
einen Teil der Gewinne abschöpfen. Gewalt und gegebenenfalls
gewerkschaftlicher Druck gewährleisten die Einhaltung der
getroffenen Absprachen. Theoretisch erlaubt business racketeering,
das ebenfalls nur in bestimmten Branchen vorkommt, die Erzielung
von Monopolprofiten. In der Praxis wird aber häufig nur eine
unvollkommene Marktkontrolle angestrebt und erreicht, etwa die
Aufteilung eines Marktes in einzelne Territorien.
Unter den "organized crime"-Begriff werden
sinnvollerweise Gruppierungen mit primär politischer Zielrichtung
nicht subsumiert, wenngleich gemeinsame politische Überzeugungen
eine Grundlage für krimininell nutzbare Kontakte bilden können.
Davon unabhängig ist die Einflussnahme auf Politik und
Verwaltung ein wesentlicher Aspekt der "organized crime"-Problematik.
Ziel "organisierter Krimineller" ist die Erhaltung und
Ausweitung von Spielräumen für kriminelle Aktivitäten.
Die Einflussnahme kann in der Form punktueller Bestechung
erfolgen oder im Rahmen dauerhafter korruptiver Beziehungen zwischen
Kriminellen und Amtsträgern, wobei der Machtschwerpunkt nicht
notwendig auf der Seite der Kriminellen liegt. Im Zweifel ist
vielmehr davon auszugehen, dass Amtsträger, die über
das staatliche Gewaltmonopol verfügen, aus einer Position
der Stärke mit kriminellen Elementen kooperieren können.
Auf der Grundlage der ausgewerteten Literatur lässt sich kein zusammenhängendes Bild von "organized crime" konstruieren. Eine gewisse Annäherung kann jedoch mit Hilfe eines analytischen Modells erreicht werden, das wesentliche Aspekte der Problematik - Täter- und Deliktsmerkmale, Strukturvariablen, soziale Bedingungen, Charakteristika der Strafverfolgung sowie Art und Intensität der Medienberichterstattung - zueinander in Beziehung setzt. Auf dieser Grundlage läßt sich eine Typologie mehrerer typischer Erscheinungsformen von "organized crime" entwickeln. Nach der sozio-politischen Einbindung krimineller Akteure können zwei Grundtypen unterschieden werden, zum einen kriminelle Strukturen, die in relativ klar abgegrenzten Subkulturen verankert sind, zum anderen kriminelle Strukturen, die in einem gesellschaftlichen Umfeld existieren, das nicht durch scharfe soziale und kulturelle Trennlinien gekennzeichnet ist, in dem aber dennoch zumindest bestimmte Verbotsgesetze allgemein keinen Rückhalt finden. Im ersteren Fall ist mit relativ großen kriminellen Zusammenschlüssen und illegalen Unternehmen zu rechnen, während im zweiten Fall vorwiegend kleinere Gruppen und Netzwerke zu erwarten sind, wobei jeweils der Schwerpunkt der kriminellen Aktivitäten auf dem Angebot illegaler Güter und Dienstleistungen liegt. Davon abweichend sind relativ komplexe Täterstrukturen ohne soziale Verankerung denkbar, deren soziale und logistische Basis im Ausland liegt und die vorwiegend auf die Begehung von Vermögens- und Eigentumsdelikten ausgerichtet sind.
Modell und Typologie unterstreichen, dass "organized
crime" kein konstantes, in sich geschlossenes Phänomen
ist. Stattdessen umfasst der Begriff vielfältige Aspekte
der Wirklichkeit, die in unterschiedlichen Konstellationen und
Ausprägungen in Erscheinung treten, jeweils abhängig
von konkreten sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen
Bedingungen. Vorerst bestehen wenig Aussichten, dass dem
ein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Erfassung und Erklärung
von "organized crime" gegenübergestellt werden
könnte. Möglich erscheint es jedoch schon jetzt, mit
einer Systematisierung des Gegenstandsbereichs zu einer differenzierteren
Betrachtung zu gelangen und Fragestellungen zuzuspitzen, die sich
möglicherweise in ein einheitliches Forschungsprogramm einfügen
lassen. |