kvl-homepage Die amtlichen Erläuterungen zu den einzelnen Bestandteilen der offiziellen Definition Organisierter Kriminaltät

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Erhebliche Bedeutung
Unter dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung sind solche Straftaten zu verstehen, die den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nachdrücklich zu beeinträchtigen. Dabei kann es sich auch um Straftaten handeln, die von der Öffentlichkeit nicht augenfällig wahrgenommen werden können, dem gegenüber aber einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Allgemeinheit verursachen und deshalb auch eine wesentliche Bedrohung darstellen.


Gewinnstreben
Gewinnstreben ist das planvolle Verhalten zur Erlangung wesentlicher materieller Vorteile.


Machtstreben
Machtstreben ist umfassend zu verstehen (wirtschaftlich und sozial). Es setzt Aktivitäten voraus, die die Erlangung von Einflusspositionen gegenüber Dritten oder eigenen Gefolgsleuten zum Ziel haben. Auch Monopolisierungsbestrebungen können hierunter fallen.
Zu diesem Zweck werden auch Straftaten begangen, die keine unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erbringen.
Weiterhin werden Anstrengungen unternommen, gesellschaftliche Anerkennung und Einfluss zu erlangen. Dies wird im Bereich der Milieukriminalität der Großstädte besonders deutlich.


Auf längere oder unbestimmte Dauer
Dieses zeitliche Merkmal schließt diejenigen Verhaltensweisen aus, bei denen die Beteiligten nur im Einzelfall oder für einen kurzfristigen Zeitraum zusammenwirken. Es ist erfüllt, wenn Serientaten, Tatzusammenhänge, verfestigte Informations- oder Kommunikationsstrukturen, Abrechnungsmodalitäten (Beuteverteilung) o.ä. festgestellt werden und Tatsachen die Annahme begründen, dass dieses durch die Absichten der Beteiligten, z.B. in Form von Bekundungen oder konkludentem Verhalten, getragen ist.


Arbeitsteiligkeit
Die Arbeitsteiligkeit bemisst sich nach dem erkennbaren Grad der Aufgabenteilung bei der Verwirklichung der Straftatbestände.
Wegen der Planmäßigkeit und Spezialisierung bei der Organisierten Kriminalität können Täter - insbesondere wenn sie einer höheren Ebene angehören - vielfach (lediglich) steuernd auf die Tatverwirklichung Einfluss nehmen, ohne selbst unmittelbar an der Tat beteiligt oder am Tatort anwesend zu sein.


Zusammenwirken
Zusammenwirken ist das koordinierte Entfalten von Tätigkeiten (auch in der Form der Unterlassung), die Tatvorhaben und Ziele der Organisation fördern.
Die Grundlagen ergeben sich aus einem gemeinschaftlichen Plan, der die arbeitsteiligen Elemente der Straftatenbegehung umfasst.


Zusammenwirken von mehr als zwei Beteiligten
Voraussetzung ist das Zusammenwirken von mindestens drei Personen, die aus einer gemeinsamen Zielsetzung heraus handeln.


Planmäßige Begehung
Die planmäßige Begehung umfasst die Tatphasen mit ihren Elementen der
- Tatverabredung
- Tatvorbereitung
- Tatdurchführung
- Absatzplanung/Beuteverwertung
- Tatsicherung.
Dieses Merkmal zielt auf die "Perfektionierung und Professionalisierung der Begehensweisen" ab und dient somit dem Erfolg im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln auf der Grundlage der Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung. Bei Tatbeteiligten im Hintergrund kommt es darauf an nachzuweisen, dass die intellektuelle oder wirtschaftliche (Mit-) Beherrschung des Tatgeschehens notwendige Voraussetzung für die Begehung der Tat ist.


Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen
Aus der (Mit-) Nutzung vorhandener, überwiegend legaler gewerblicher Strukturen durch kriminelle Organisationen ergibt sich eine Verflechtung illegalen und legalen Wirtschaftslebens. Sie stellt einen zentralen Aspekt der OK dar.
Da Beschaffungs- oder Verwertungshandlungen, in großen Dimensionen angelegt, nicht ohne weiteres geheimzuhalten sind, werden sie oft dadurch getarnt, dass sie mit legalen Geschäftsvorgängen durchgeführt werden.
Die Tatausübung muss mit Vorgängen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung einhergehen.
Durch dieses Verhalten werden (auch ohne weitere strafrechtlich relevante Handlungen) Situationen geschaffen, die die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich beeinträchtigen. Insbesondere führt es zu gravierenden Vertrauensverlusten in die auf Treu und Glauben basierenden Wirtschaftsabläufe.
Die OK-Täter stellen auf Dauer vor allem auf die Maximierung und Sicherung ihrer Profite ab; insoweit bedeutet dies auch die Erweiterung der kriminellen Aktionsmöglichkeiten. Hierunter sind auch die Verschleierung der kriminellen Handlungen/Interessen oder der Missbrauch besonderer Befugnisse/Erlaubnisse (z.B. Lizenzen) zu verstehen.
Damit kommt es nicht drauf an, ob die Täter diese Strukturen eigens hierfür geschaffen haben oder sich nur solcher bedienen.
Eine wesentliche zeitliche oder quantitative/qualitative Begleitkomponente muss z.B. dann bejaht werden, wenn Straftäter sich der Möglichkeiten moderner Infrastrukturen o.ä. bedienen, um "erfolgreicher" zu handeln, weil mengenmäßig keine Begrenzungen zu sehen und Nachweise beim Massenverkehr nur unter erschwerten Bedingungen zu führen sind.
Soweit tatbestandliche Verhaltensweisen zugrundeliegender Straftaten der Wirtschaftskriminalität mit den speziellen Merkmalen der Alternative a) übereinstimmen, können diese allein nicht für die "Qualifizierung" als Organisierte Kriminalität herangezogen werden. Hierzu sind darüber hinausgehende Feststellungen zu den Alternativen b) oder c) erforderlich.

"Die Alternative a) der OK-Definition zielt auf die Verflechtung illegalen und legalen Wirtschaftslebens ab, mit der kriminelle Aktivitäten und die damit erzielten Gewinne verschleiert werden können. (...)
Hierbei kann unterschieden werden zwischen Fällen, in denen die Täter solche Strukturen eigens für kriminelle Zwecke (neu) schaffen, sich bereits vorhandener, vorher legal genutzter Strukturen bedienen oder aber gewerbliche Strukturen nur dazu nutzen, eine legale Einkommensquelle vorzutäuschen, ohne dass tatsächlich eine Verflechtung zwischen legaler und illegaler Tätigkeit vorliegt. (...)
Geschäftsähnliche Strukturen stellen in der praktischen Anwendung der OK-Definition meist einen Auffangtatbestand innerhalb der Alternative a) dar." (Lagebild Organisierte Kriminalität 1999, S. 12, 14)

Anwendung von Gewalt/anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel
Wenn die Gewaltanwendung Tatbestandsmerkmal einer Straftat ist, z.B. bei Angriffen gegen Leib und Leben, die persönliche Freiheit oder die Freiheit der Willensentschließung, ist diese konstitutives Merkmal und erfüllt für sich allein die qualifizierende Alternative nicht. Der Gewaltbegriff ist weitergehend zu prüfen, wenn unabhängig von der Gewaltanwendung bei der Verwirklichung des Straftatbestandes diese zugleich oder als selbständiges Teilziel
- in ihrer Wirkung auf die Allgemeinheit
- mit bestimmbarer Auswirkung auf weitere potentielle Opfer oder
- auf die Aufrechterhaltung der "inneren Ordnung der Organisation"
gerichtet ist.
Bei den weitergehenden Prüfungen ist sowohl die Tätervorstellung und -absicht zugrunde zu legen wie auch die objektiv feststellbare Wirkung auf die Betroffenen. Die Verhaltensweisen gemäß Alternative b) - gleichgültig in welcher Form angewendet, auch vordergründig positiv erscheinende Verhaltensweisen - müssen aus der Sicht der Betroffenen als Zwang verstanden werden.
Einschüchterung und Gewalt sind zur Durchsetzung und Sicherung der Machtansprüche gängige Mittel, wenngleich sich mit zunehmendem Organisationsgrad die Anwendung immer subtilerer Machtmittel beobachten lässt.
Fehlende tatsächliche Gewaltanwendung ist deshalb kein Hinweis auf das Nichtvorhandensein von OK. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass bei ausgereiften, in ihrer Struktur verfestigten Organisationen Gewalt nur selten offenkundig wird, da subtilere Formen von Pressionen ausreichen. Allein das Wissen um die im Extremfall unausweichliche, konsequente und in aller Härte durchgeführte Gewaltanwendung reicht aus, um Organisationsmitglieder, Opfer und Zeugen gefügig zu machen.
Hier sind sowohl die interne Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel (innerhalb der Organisationsstruktur) als auch die externe (gegenüber Dritten) zu subsumieren.

"Der Begriff der Gewalt ist für die Anwendung der Definition OK weit auszulegen. (...) Die Erscheinungsformen von Gewalt und anderen zur Einschüchterung geeigneten Mitteln sind breit gefächert. Sie reichen von bloßer Betonung der eigenen Gewaltbereitschaft, z.B. durch ständiges Tragen und anlassbezogenes Präsentieren einer Schusswaffe, über einfache und schwere Körperverletzungen, konkrete Ankündigungen, die Schusswaffe zu gebrauchen bis hin zu vollendeten Tötungsdelikten.
Die Motive für diese Delikte und Bedrohungssachverhalte sind sehr unterschiedlich und liegen sowohl in der Rekrutierung von Tatbeteiligten oder auch Schaffung einer zweckdienlichen Gewaltreputation (Tatvorbereitung) als auch der Tatdurchführung und der Disziplinierung von Tatbeteiligten bzw. Tatverdeckung (Nachtatphase)." (Lagebild Organisierte Kriminalität 1999, S. 14)

Einflussnahme
Führungspersonen der Organisierten Kriminalität sind bestrebt, innerhalb ihres "Herrschaftsbereiches" und oft auch in der Gesellschaft Anerkennung zu finden. Soziale Integration bietet nach außen hin die beste Gewähr, "Geschäfte" ungestört und - bei Bedarf - mit Unterstützung der so gewonnenen "Freunde" erfolgreich abzuwickeln. Zu diesem Zweck werden gesellschaftliche Anlässe gesucht (oder selbst geschaffen), bei denen Kontakte zu Personen des öffentlichen Lebens - sei es aus dem Bereich der Politik, der Verwaltung, der Wirtschaft oder der Medien - hergestellt werden können. Ob und wie diese Beziehungen einmal für die illegalen Zwecke genutzt werden können, ob durch wie auch immer geartete Formen der Bestechung, der Erpressung oder sonstiger Beeinflussung die Betroffenen zur Mithilfe "bewegt" werden, steht zunächst nicht im Vordergrund.
Einflussnahme ist das Einwirken auf Entscheidungsprozesse in den genannten Bereichen. Diese können sich in begünstigenden Handlungen oder Unterlassungen darstellen, die insgesamt im Interesse der Straftäter liegen. Eine Einflussnahme kann auch in kollusivem Verhalten bestehen.
Zur Abgrenzung der verfassungsrechtlich erwünschten bzw. der legitimen Formen der Beeinflussung von Entscheidungsträgern ist es zusätzlich erforderlich, dass der verwerfliche Charakter der Einflussnahme - entweder in den Mitteln oder in den Zielsetzungen - festgestellt wird.
Indizien für das Vorliegen verwerflicher Einflussnahme können u.a. sein
- Bedrohungen, Nötigungen, Erpressung oder Anwendung von Gewalt sowie
- Bestechung oder Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen.

"Einflussnahme ist das Einwirken auf Entscheidungsprozesse in den genannten Bereichen. Sie kann sich in begünstigenden Handlungen oder Unterlassungen darstellen, die insgesamt im Interesse der Straftäter liegen.
Zur Abgrenzung der legitimen Beeinflussung von Entscheidungsträgern ist es zusätzlich erforderlich, dass der verwerfliche Charakter der Einflussnahme - entweder in den Mitteln oder in den Zielsetzungen - festgestellt wird.
Als Indizien für eine verwerfliche Einflussnahme können u.a. Bedrohung, Gewaltanwendung, Erpressung, die Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen und Korruption herangezogen werden. (...)
Die Schwelle zu verwerflichen Formen der Einflussnahme ist weit unterhalb der strafrechtlich relevanten Korruptionstatbestände angesiedelt, die in den §§ 331-335 StGB (Vorteilsannahme, Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung, Bestechung, besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung), in § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung) und in §§ 299 und 300 StGB (Angestelltenbestechung/-bestechlichkeit) gesetzlich normiert sind." (Lagebild Organisierte Kriminalität 1999, S. 15f.)

Quellen:
Die vollständigen amtlichen Erläuterungen mit zusätzlichen Anmerkungen finden sich in den folgenden Publikationen:
Willi Flormann, Heimliche Unterwanderung, Lübeck 1995, S. 70-78
Freiberg/Thamm, Das Mafia-Syndrom, Hilden 1992, S. 113-116
Zentrales Koordinationsbüro der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (Hrsg.), MEPA-Buch, Wien, 2003 (online-Fassung)

Die zusätzlich zitierten Erläuterungen stammen aus dem Lagebild Organisierte Kriminalität Bundesrepublik Deutschland 1999, pressefreie Kurzfassung, 1. Auflage, Mai 2000, erstellt vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden (www.bka.de)