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Pablo Escobar: Leben und plötzlicher Tod des Kokainkönigs
Cañon, Luis
Berlin: Aufbau-Verlag, 1994
395 S.
Gegenstand, Methodik, Datengrundlage:
Eine journalistische Biographie des "Drogenbarons" Pablo Escobar, einer der Schlüsselfiguren des sogenannten Medellin-Kartells.
Zum Inhalt:
Escobar wurde 1949 als Sohn einer Dorfschullehrerin und eines Bauern geboren. Bereits als Schüler begann er eine kriminelle Karriere mit dem Diebstahl von Grabsteinen, die er an Schmuggler aus Panama verkaufte. Anfang der 70er Jahre stieg er in den Kokainhandel ein. Unter seiner Federführung wurden große Mengen Kokapaste in Bolivien und Peru angekauft, hieraus Kokain hergestellt und dieses dann über Drittländer in die USA geschmuggelt und dort abgesetzt. Escobar kooperierte dabei auf partnerschaftlicher Basis mit fünf bis sechs anderen illegalen Unternehmern aus der Gegend von Medellin. Zusätzlich profitierte er von den Unternehmungen weiterer Händler und Schmuggler, die sich der von Escobar und seinen Partnern aufgebauten Infrastruktur bedienten. In den letzten Jahren scheint Escobar in erster Linie nicht mehr direkt im Drogenhandel tätig gewesen zu sein, vielmehr schöpfte er von anderen Kokainhändlern Gewinne mit einer Art Steuer ab, die er auch bei sonstigen Kriminellen in seinem Einflussbereich einforderte. Diese Steuer betrachtete er als Gegenleistung für seine Verdienste beim Aufbau der kolumbianischen Kokainindustrie und für seine Bemühungen, das amerikanisch-kolumbianische Auslieferungsabkommen von 1979 aus der Welt zu schaffen.
Seine hervorgehobene Stellung unter den großen kolumbianischen Kokainhändlern schreibt der Autor persönlichen Eigenschaften Escobars, dessen Beziehungen und dem klugen Einsatz seiner finanziellen Mittel zu. Nicht zuletzt beruhte Escobars Macht auf der wohl erkauften Unterstützung durch kriminelle Gruppen, mit denen ihm ein erhebliches Gewaltpotential zur Verfügung stand.
Seine illegalen Gewinne investierte Escobar vor allem in Grundbesitz. Daneben tat er sich als Finanzier sozialer Projekte und als Sponsor von Fußballvereinen hervor, was ihm eine gewisse Popularität und politischen Einfluss, zwischenzeitlich sogar ein Parlamentsmandat, einbrachte.
Das Blatt wendete sich, als die Herkunft seines Reichtums aus dem Drogenhandel zum öffentlichen Thema wurde und die USA den Druck auf Kolumbien verstärkte, Escobar auszuliefern. Mit Mitteln des Terrors versuchte Escobar auf die Politik einzuwirken, um ein Auslieferungsverbot in der Verfassung zu verankern und ein Abkommen durchzusetzen, das den Drogenhändlern im Gegenzug gegen die Aufgabe des Drogengeschäfts Straffreiheit und die Sicherung des erlangten Vermögens garantieren sollte.
Die von Escobar initiierte Terrorkampagne, der Politiker, Beamte, Journalisten und einfache Passanten zum Opfer fielen, brachte die öffentliche Meinung gegen ihn auf, bewirkte eine Spaltung der kolumbianischen Drogenhändler und eine rücksichtslose Verfolgungswelle staatlicher Stellen und krimineller Gruppen gegen Escobar und die schrumpfende Zahl seiner Verbündeten. Nach rund einjähriger Haft, in die sich Escobar aus Angst vor seiner Ermordung begeben hatte, und anschließender mehrmonatiger Flucht, wurde er von Angehörigen einer Spezialeinheit Ende 1993 erschossen.
Beurteilung:
Obwohl es sich um eine journalistische Darstellung handelt, kommt sie doch ganz ohne reißerische Rhetorik aus. Der Autor versucht vielmehr, sich in Pablo Escobar hineinzuversetzen, um dessen Handeln nachzuvollziehen, ohne dabei in das andere Extrem zu verfallen, Escobar zum mythischen Helden zu verklären. Was stört ist der vereinzelte Rückgriff auf astrologische Erklärungsmuster (!) und die fehlende Differenzierung zwischen gesicherten Erkenntnissen und bloßen Mutmaßungen, von denen insbesondere dort auszugehen ist, wo es um Escobars unausgesprochene Gedanken geht.
Wertvoll an dem Buch von Cañon ist vor allem die kolumbianische Perspektive. Das Drogengeschäft wird in Beziehung zu den gesellschaftlichen Bedingungen in Kolumbien gesetzt. Neben sozialen und ökonomischen Faktoren ist besonders die Verflechtung der Kokainhändler mit verschiedenen politischen Gruppen, linksgerichteten Guerillas ebenso wie rechtsgerichteten Milizen, und die keineswegs widerspruchsfreie Rolle der USA interessant. So erscheint insbesondere die von Escobar geführte Terrorkampagne einerseits als Ausdruck einer egozentrischen und herrschsüchtigen, sich selbst überschätzenden Persönlichkeit, andererseits als Facette einer generell stark von Gewalt geprägten Gesellschaftsordnung.
Mehr Details hätte man sich bei der Beschreibung des Beziehungsgeflechts Escobars wünschen können, namentlich im Hinblick auf die Abgrenzung partnerschaftlicher und hierarchischer Beziehungen.
Gesamtbewertung:
Ein informatives und spannendes Buch, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht nachvollziehbar ist, auf welche Quellen und Belege sich der Autor im Einzelnen stützt.
© Klaus von Lampe, alle Rechte vorbehalten.
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