Russian Mafia in America
(Russische Mafia in Amerika)
Finckenauer, James, und Elin Waring
Boston: Northeastern University Press, 1998
303 S.
Sprache: Englisch

Gegenstand, Methodik, Datengrundlage:
Eine empirische Untersuchung der kriminellen Aktivitäten sowjetischer Emigranten im Großraum New York auf der Grundlage von Interviews mit Ermittlungsbeamten und Emigranten sowie von Ermittlungsdaten einer Sonderermittlungsgruppe der Bundesstaaten Pennsylvania, New Jersey und New York.

Zum Inhalt:
Emigranten aus der früheren Sowjetunion sind wiederholt mit gut organisierten und hoch profitablen kriminellen Aktivitäten, typischerweise Betrügereien, in Erscheinung getreten, es gibt aber keine exil-sowjetische Verbrecherorganisation im eigentlichen Sinne des Wortes, die eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen könnte. Die in den Medien als Mafia-Bosse gehandelten Personen gehören zu ausgedehnten Netzwerken von Akteuren, die sich in wechselnder Zusammensetzung zu immer neuen Unternehmungen zusammenfinden.

Beurteilung:
Finckenauer und Waring haben die kriminellen Aktivitäten sowjetischer Emigranten in den USA einer nüchternen Betrachtung unterzogen. Dabei konnten sie sich auf eine bemerkenswert breite Datengrundlage stützen, insbesondere über den Zeitraum von vier Jahren auf Informantenberichte, Observationsprotokolle und alle sonstigen Informationen, die vom Tristate Soviet Emigre Organized Crime Project gesammelt wurden.
Trotz der engen Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden ist es den Autoren gelungen, bei der Auswertung des Materials ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Ihre Ergebnisse widerlegen viele Klischees und Schreckensbilder, die in den Medien kolportiert werden.
Allerdings können Finckenauer und Waring die im übrigen plausible Feststellung, es gebe unter sowjetischen Emigranten in den USA keine Verbrecherorganisation im eigentlichen Sinne des Wortes, nicht mit der von ihnen vorgenommenen aufwendigen Netzwerkanalyse untermauern. Denn die Auswertung der Daten war nicht darauf angelegt, organisationstheoretische Aspekte zu erfassen. Berücksichtigt wurde lediglich, ob zwischen jeweils zwei Akteuren, die in das Blickfeld der Ermittler geraten sind, überhaupt eine Beziehung besteht, nicht jedoch, wie diese Verbindungen im einzelnen ausgestaltet sind. Ein Urteil über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein und ggf. die konkrete Ausprägung von Organisationsstrukturen wäre jedoch nur dann möglich gewesen, wenn die Forschungsgruppe um Finckenauer und Waring Art, Intensität und Ausrichtung der einzelnen Beziehungen in die Netzwerkanalyse einbezogen hätten. Es würde sich sicher lohnen, die gesammelten Daten in dieser Richtung weiter auszuwerten.

Gesamtbewertung:
Trotz einiger Vorbehalte hinsichtlich bestimmter konzeptueller und methodologischer Aspekte gehört das Buch von Finckenauer und Waring zum elementaren Grundbestand der OK-Literatur. Es setzt Maßstäbe hinsichtlich der Erschließung von Ermittlungsdaten für die Erforschung organisierter Kriminalität und ist ein notwendiger Beitrag zu einer nüchternen Betrachtung der sogenannten Russen Mafia.


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