Der OK-Komplex: Organisierte Kriminalität und ihre Folgen für die Polizei in Deutschland
Norbert Pütter
Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 1998
450 S.

Gegenstand, Methodik, Datengrundlage:
Eine empirische Untersuchung zur Praxis und Organisation der Bekämpfung organisierter Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Interviews mit Polizeibeamten und Staatsanwälten.

Zum Inhalt:
Es gibt keine klaren gesetzlichen Vorgaben, was organisierte Kriminalität ist. Daher bilden sich mit den OK-Dienststellen bei der Polizei Sonderorganisationen heraus, die über privilegierten Zugang zu verdeckten Methoden verfügen und ihren Ermittlungsgegenstand selbst definieren können. Dabei bestimmt sich der Gegenstand der OK-Ermittlungen einerseits nach sich perpetuierenden Schwerpunktsetzungen, andererseits danach, wo die zur Verfügung stehenden besonderen Ermittlungsinstrumentarien am effektivsten eingesetzt werden können. Das hat zur Folge, dass sich die OK-Bekämpfung auf bestimmte randständige Bereiche der Gesellschaft konzentriert, bestimmte ethnische Minderheiten und das Rotlichtmilieu. Wirtschafts- und Umweltkriminalität werden demgegenüber, durchaus zum Missfallen der Ermittler selbst, vernachlässigt.

Beurteilung:
Der Titel des Buches ist irreführend. Es geht nicht um organisierte Kriminalität, sondern um ihre institutionalisierte Bekämpfung. Daher werden die Vorstellungsbilder, die für Polizei und Staatsanwaltschaften handlungsleitend sind, in erster Linie aus organisationsinternen Faktoren heraus erklärt, während die gesellschaftlichen Phänomene, die unter den OK-Begriff subsumiert werden, weitgehend unberücksichtigt bleiben. Diese Herangehensweise erscheint für den Augenblick hinnehmbar, zumal Pütters Argumentation in sich schlüssig und durch die erhobenen Daten gut belegt ist. Gleichwohl müsste mittel- und langfristig wohl die Abneigung gegenüber einer empirischen und theoretischen Auseinandersetzung mit den als OK etikettierten Phänomenen überwunden werden, um den Komplex der OK-Bekämpfung umfassend analysieren und kritisieren zu können.
Eine Vertiefung wäre darüber hinaus auch dort sinnvoll gewesen, wo festgefügte Vorstellungen über die Logik der OK-Bekämpfung durch die Untersuchung widerlegt wurden, namentlich im Hinblick auf die offensichtlich fehlende Dynamik in Richtung zunehmender Zentralisierung der Polizeiorganisation. Es ist durchaus überraschend, dass der Trend eher in die Gegenrichtung geht und der Schwerpunkt nicht etwa bei den Landeskriminalämtern oder gar dem BKA liegt, sondern bei den OK-Abteilungen der Großstadtpolizeien.

Gesamtbewertung:
Das Standardwerk zur Struktur der OK-Bekämpfung. Ein wichtiger Baustein bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der OK-Problematik insgesamt.


Weiterführende Literatur
Kinzig, Jörg, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, Berlin: Duncker & Humblot, 2004. (siehe Rezension)
Weigand, Herbert, und Heinz Büchler, OK-Ermittlungen in Baden-Württemberg, Kriminalistik, 56(11), 2002, 661-668.


© Klaus von Lampe, alle Rechte vorbehalten.